Das Jahr 2016 hat im Bereich des GmbH-Gesellschaftsrechts spannende Entscheidungen des BGH und einiger Obergerichte mit sich gebracht, die zum Teil erhebliche Auswirkungen haben.
In diesem Beitrag zeige ich Ihnen – anhand einer persönlichen Auswahl – einige Entscheidungen im Bereich Gründung von Gesellschaften, Gesellschafterstreit sowie Haftung von Geschäftsführern und Beratern.
Gründungsaufwand der GmbH
In der Praxis der Registergerichte hat es sich eingebürgert, die Verwendung von bis zu 10 % des Stammkapitals für die Deckung von Gründungskosten zuzulassen, sofern dies für Außenstehende transparent gemacht wird, die Geschäftspartner und potenziellen Gläubiger also darüber im Klaren sind, dass das aus dem Register ersichtliche Stammkapital nicht mehr in voller Höhe verfügbar ist. Diese Offenlegung hat in der Satzung zu erfolgen.
Das OLG Celle stellt in einem Beschluss vom 11.2.2016 klar, dass die namentliche Benennung sämtlicher Gründungskosten Voraussetzung für die Eintragung in das Handelsregister sei. Missbräuchen und Umgehungsversuchen bei der Aufbringung und Beibehaltung des Stammkapitals müsse entgegengewirkt, das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die GmbH müsse verteidigt werden.
Die Beachtung dieser Rechtsprechung empfiehlt sich, um Verzögerungen bei der Eintrag zu vermeiden.
Gesellschafterstreitigkeiten
I. Versammlungsort
In einer Entscheidung des BGH vom 24.03.2016 ging es um eine GmbH, an der zwei Gesellschafterinnen zu gleichen Teilen beteiligt waren. Die GmbH war Komplementärin einer KG.
Kurz nach Gründung kam es zu einem solchen Zerwürfnis unter den Gesellschafterinnen.
Eine Gesellschafterin machte nun Forderungen gegen die KG geltend und stellte in ihrer Eigenschaft als Mit-Geschäftsführerin Insolvenzanträge für beide Unternehmen. Die andere Gesellschafterin bestritt die Forderungen und lud zu einer Gesellschafterversammlung der GmbH ein, um ihre Mit-Geschäftsführerin dort abzuberufen und das bereits von ihr eingeleitete Insolvenzverfahren wieder zu beenden.
Die Einladung erfolgte primär in die Büroräume und hilfsweise für den Fall, dass dort vom Ehemann der Mit-Geschäftsführerin faktisch der Zutritt vereitelt würde, in die Wohnung der einladenden Gesellschafter-Geschäftsführerin.
Trotz ihres zunächst erhobenen Protests ließ sich die Mit-Gesellschafter-Geschäftsführerin dann doch auf die Durchführung der Versammlung in diesen Privatgemächern ein und sie wurde ankündigungsgemäß abberufen.
Da die Monatsfrist zur Erhebung einer Anfechtungsklage verstrichen war, befasst sich der BGH nur mit der Prüfung einer etwaigen Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses.
Entsprechend § 241 Nr. 1 AktG können Beschlüsse der GmbH-Gesellschafterversammlung in Fällen eines schwerwiegenden Einberufungsmangels nichtig sein. Diese Voraussetzungen liegen insbesondere dann vor, wenn der Einberufungsmangel einer Nichtladung der Gesellschafter gleichkommt, also die Teilnahme gleichsam schon durch die Einladung vereitelt wird.
Das lehnt der BGH in dem von ihm entschiedenen Fall ab. Zwar sei Versammlungsort grundsätzlich der Sitz einer GmbH, konkret seien es die Räumlichkeiten der Gesellschaft.
Aber Abweichungen seien möglich.
Grundsätzlich könnte bei zerstrittenen Gesellschaftern niemandem zugemutet werden, einer Versammlung in der räumlichen Sphäre des anderen beizuwohnen. Das gelte etwa für dessen Privaträume oder für die Kanzleiräume der von einer Seite beauftragten Anwälte.
Die dann erforderliche Einzelfallbetrachtung führte im vorliegenden Fall aber trotz grundsätzlicher Unzumutbarkeit nicht zu einer Schwere des Rechtsverstoßes, die eine Nichtigkeit des Beschlusses nach sich gezogen hätte.
Der Wahl des richtigen Versammlungsortes kommt daher erhebliche Bedeutung zu.
II. Notgeschäftsführer
Das OLG Düsseldorf zeigt in seinem Beschluss vom 08.06.2016 auf, unter welchen Bedingungen erfolgreich ein Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführer gestellt werden kann.
Zwei Gesellschafter, ein geschiedenes Ehepaar, waren je hälftig an einer GmbH beteiligt und zugleich deren gemeinsam vertretungsbefugte Geschäftsführer. In einer Gesellschafterversammlung berief die Gesellschafterin ihren Ex-Ehemann als Geschäftsführer aus wichtigem Grunde ab, er erhob Anfechtungsklage.
Damit war unklar, ob der Mann noch als Geschäftsführer im Amt war – eingetragen im Handelsregister war er noch – oder nicht.
Die Banken verhängten faktisch eine Kontensperre, die Gesellschafterin glich dringende Zahlungen, etwa Gehälter, privat aus und man verhandelte, am Ende ohne Ergebnis.
Dann stellte die Gesellschafterin einen Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers und fügte dem Antrag eine Erklärung der ins Auge gefassten, ihr aus dem privaten Umfeld bekannten Person bei, wonach diese keine Vergütung geltend machen wolle, falls sie bestellt würde.
Der Antrag hatte beim Amtsgericht Erfolg und hielt beim OLG Düsseldorf auch in der Beschwerdeinstanz.
Das OLG stellt zunächst fest, dass in Ermangelung einer dem § 85 AktG entsprechenden Vorschrift im GmbH-Gesetz die Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH nach § 29 BGB zu beurteilen sei, mit der Folge, dass ein solcher zu bestellen ist, falls es an einem erforderlichen Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall vorliegt.
Die unklare Vertretung der Gesellschaft rechtfertige die Beurteilung, dass ihr ein Geschäftsführer im Rechtssinne fehle. Das ist pragmatisch und hilft in den gar nicht so seltenen Blockadesituationen bei Zerwürfnissen der Gesellschafter.
Das OLG Düsseldorf betont selbst, dass die Notgeschäftsführung kein Instrument darstellen könne, um Gesellschafterstreitigkeiten faktisch zu entscheiden; das Gericht dürfe sich in derartigen Zwist nicht „einmischen“. Wenn das Ausmaß der Streitigkeit aber über einzelne Fragen hinausgehe und den gesamten Geschäftsbetrieb erfasse, soll die Bestellung eines Notgeschäftsführers doch wieder möglich sein.
Die Bestellung eines Notgeschäftsführers erweise sich als dringlich, so das OLG Düsseldorf weiter, wenn – wie hier – die GmbH z.B. hinsichtlich ihrer Arbeitnehmer in Dauerschuldverhältnissen stehe, auf regelmäßige Zahlungsflüsse über Konten angewiesen sei und nicht ernsthaft erwartet werden könne, dass die beiden Gesellschafter in absehbarer Zeit eine Einigung über die Vertretung der Gesellschaft erzielten.
Bei massiven Streitigkeiten unter Gesellschafter-Geschäftsührern stellt diese Entscheidung eine wirklich interessante Gestaltungsmöglichkeit dar.
Haftungsfragen
I. Haftung in der Limited
Die Entscheidung des BGH vom 15.3.2016 stellt klar: Der Director einer Private Limited Company (Ltd.) mit faktischem Verwaltungssitz in Deutschland kann nach § 64 GmbHG vom deutschen Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden.
Diese Vorschrift zählt zum Insolvenz-, nicht zum Gesellschaftsrecht, auch wenn ihr Standort im GmbH-Gesetz auf das Gegenteil hinzudeuten scheint.
Eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit wird überzeugend verneint, zumal die Haftung hier nicht an nationale Vorschriften etwa zur Kapitalausstattung geknüpft und auch die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht in Frage gestellt wird.
Diese Rechtsprechung ist auf alle ausländichen Kapitalgesellschaften, die ihren – auch faktischen -Verwaltungssitz in Deutschland haben analog anwendbar und daher von erheblicher Bedeutung.
II. Haftung von Sanierern
Eine Entscheidung des OLG Brandenburg vom 12.01.2016 betrifft die Haftung eines Interims-Geschäftsführers.
Eine GmbH war per 31.12.2008 bilanziell überschuldet und seit dem 11.07.2009 zahlungsunfähig. Der spätere Beklagte war ein erfahrener Sanierer. Am 13.08.2009 wurde er erstmals auf die GmbH angesprochen, am 18.08., 20.08. und 24.08. folgten Gespräche und noch am 24.08. die Bestellung zum alleinigen Geschäftsführer; der bisherige Geschäftsführer wurde gleichzeitig abberufen.
Vom 25.08. bis 31.08.2009 erarbeitete der neue Geschäftsführer eine Liquiditätsplanung. Angesichts der Größe des Unternehmens (Umsatz über 7 Mio. €) waren drei Mitarbeiter über mehrere Tage mit der Erstellung eines Liquiditätsstatus beschäftigt. Am 03.09.2009 wurde deutlich, dass die Hauptvertriebspartnerin die Geschäftsbeziehung nicht weiterführen würde, am 04.09.2009 stellte der Beklagte den Insolvenzantrag.
Während der wenigen Tage seiner Geschäftsführung waren auf debitorischen Konten Geldbeträge eingegangen.
Deswegen wurde auf Klage des Insolvenzverwalters der Interims-Geschäftsführer zur Erstattung gemäß § 64 S. 1 GmbHG verurteilt.
Maßgebend für den Beginn der Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags sei, so das OLG Brandenburg, der objektive Eintritt der Überschuldung, nicht die subjektive Kenntnis des Geschäftsführers.
Den Beklagten treffe auch – das sah das OLG anders als die Vorinstanz – ein Verschulden, denn er habe ein Finanzierungskonzept vor Amtsantritt erhalten, habe schon da von der Insolvenzreife des Unternehmens gewusst und hätte innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Amtsbeginn alle zur Steuerung des Zahlungsverkehrs erforderlichen Ermittlungen abschließen müssen.
Am 27.08.2009 hätte der Geschäftsführer konkrete Anweisungen erteilen müssen, damit kein Geld mehr auf debitorischen Konten eingehen würde. Seine allgemeine Anweisung, „nur noch unbedingt notwendige Zahlungen auszuführen“, sei nicht hinreichend konkret.
Gerade vor der Entgegennahme von Zahlungen auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft – nach Eintritt der Insolvenzreife – kann nicht oft genug gewarnt werden. Die Rechtsprechung ist hier unerbittlich. Die Haftung besteht in Höhe der gesamten Zahlungseinganänge ab Eintritt der Insolvenzreife. Eine Saldierung mit Zahlungsausgängen ist nicht möglich.
Gerne stehe ich Ihnen für Fragen zu der aufgezeigten aktuellen Rechtsprechung zur Verfügung.