Inhalt – Abfindung Stuttgarter Verfahren, Bewertung GmbH-Geschäftsanteile, Ertragswertverfahren, Ermittlung Abfindung,
Höhe der Abfindung, Bewertungsverfahren, Bewertung von Betriebsvermögen, Gestaltungsfreiheit, Bewertungsgesetz, Missverhältnis
Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 wurde das Stuttgarter Verfahren zur Bewertung von nicht börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften (GmbH-Geschäftsanteile) abgelöst und durch das vereinfachte Ertragswertverfahren ersetzt.
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Zahlreiche Gesellschaftsverträge (Satzungen) verweisen allerdings zur Ermittlung einer Abfindung immer noch auf das Stuttgarter Verfahren.
I. Ausgangssituation
Einern GmbH-Gesellschafter kann aus verschiedenen Gründen eine Abfindung zustehen, z. B. wenn er aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde oder er seine Mitgliedschaft gekündigt hat.
Zur Höhe der Abfindung schweigt das GmbHG.
Im Personengesellschaftsrecht gilt § 738 I 2 BGB. Danach sind die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter verpflichtet,
„dem Ausscheidenden die Gegenstände, die er der Gesellschaft zur Benutzung überlassen hat, nach Maßgabe des § 732 BGB zurückzugeben, ihn von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre.\“
Da der Ausscheidende so gestellt werden soll, als wäre die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden, ist für seine Abfindung nicht der Verkehrswert seines Anteils maßgebend, sondern sein Anteil an dem (Verkehrs-)Wert des fortgeführten Unternehmens der Gesellschaft, den die Beteiligten, bei dessen Veräußerung zum Stichtag des Ausscheidens erzielen könnten.
Die Regelung des § 738 I 2 BGB wird nach überwiegender Meinung auch im GmbHRecht analog angewandt, sofern eine gesellschaftsvertragliche Regelung fehlt: Der ausscheidende Gesellschafter hat danach Anspruch auf eine Abfindung in Höhe seines Anteils am Verkehrswert des Unternehmens. Der Verkehrswert wird meist anhand der Ertragswertmethode ermittelt.
Diese gesetzliche Ausgangslage ist grundsätzlich dispositiv, die Satzung kann das Berechnungsverfahren und damit letztlich auch Art und Höhe der Abfindung abweichend regeln.
Bei der GmbH war in der Vergangenheit ein Verweis auf das Stuttgarter Verfahren des Steuerrechts sehr beliebt.
Hierbei handelt es sich um ein Bewertungsverfahren, bei dem der Wert eines Geschäftsanteils an einer GmbH für die Erbschafts- und Schenkungsteuer unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft geschätzt wird.
Hintergrund für die Wahl dieses Verfahrens sind regelmäßig Vereinfachungserwägungen aufgrund der – verhältnismäßig – leichten Handhabbarkeit.
Aus steuerlicher Sicht hat das Stuttgarter Verfahren, nach dem es vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde, nur noch historische Bedeutung. Der Gesetzgeber hat die Bewertung von Betriebsvermögen vollständig neu geregelt, und zwar durch ein vereinfachtes Ertragswertverfahren als Regelbewertung, §§ 199 ff. BewG.
Dies führt dann zu der Frage, wie eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung, die auf das Stuttgarter Verfahren verweist, heute zu handhaben ist.
II. Zulässigkeit des Stuttgarter Verfahrens
Auch wenn das Stuttgarter Verfahren als steuerliche Bewertungsgrundlage verfassungswidrig und damit unzulässig ist, folgt daraus nicht die gesellschaftsrechtliche Unzulässigkeit. Die Gesellschafter haben insoweit Gestaltungsfreiheit, wie sie ihre Verhältnisse untereinander regeln wollen.
Nachdem sich die steuerliche Rechtslage geändert hatte, wurde unter Hinweis auf die von den Gesellschaftern gewünschte Verfahrensvereinfachung die Ansicht vertreten, dass – zumindest für Altklauseln – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf die neuen Regelungen des Bewertungsgesetzes (§§ 199 ff. BewG) zurückzugreifen sei.
Eine überwiegende Meinung in der Literatur lehnt jedoch einen Rückgriff auf die neuen Regelungen des Bewertungsgesetzes für Altklauseln ab und geht davon aus, dass ein Verweis auf das Stuttgarter Verfahren in gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln weiterhin möglich sei.
Auch das OLG Stuttgart und das OLG Naumburg mussten sich mit dieser Frage auseinandersetzen und gelangten dabei zu dem Ergebnis, dass entsprechende Klauseln von der Vertragsfreiheit gedeckt und damit verbindlich sind.
Letztlich wird es im Einzelfall auf die konkrete Formulierung der entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag und deren Auslegung ankommen.
Es kann durchaus dem Willen der Beteiligten entsprechen, das Stuttgarter Verfahren auch nach dem 31.12.2008 als Bewertungsverfahren anzuwenden, selbst wenn es von der Finanzverwaltung nicht mehr angewendet wird.
Allerdings kann dies mit fortschreitender Zeit immer zweifelhafter werden. Es ist äußerst fraglich, ob die Parteien sich beispielsweise bei einer Gesellschaftsauseinandersetzung im Jahr 2022 noch an eine Regelung gebunden fühlen, die seit 2009 nicht mehr gilt.
Kommt man zur Anwendung des Stuttgarter Verfahrens, handelt es sich der Sache nach um einen statischen Verweis des Gesellschaftsvertrags auf Abschnitt 96 ff. der Erbschaftsteuerrichtlinien vom 17.03.2003.
III. Missverhältnis zwischen Buchwert und wirklichem Wert
Eine andere Frage ist, ob es durch die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens zu einem Missverhältnis zwischen dem so ermittelten Wert und dem Verkehrswert kommt.
Nach hergebrachter Meinung kann eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkung nach § 138 BGB nichtig sein, wenn sie bei Zustandekommen der Abfindungsregelung grob unbillig ist, weil der Verkehrswert erheblich über dem Klauselwert liegt.
IN diesem Falle hat eine Korrektur des Abfindungswerts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wegen eines nachträglich entstandenen Missverhältnisses zwischen dem Klauselwert und dem Verkehrswert stattzufinden.
Da sich in der Rechtsprechung weder quotenmäßige Grenzen noch eine Mindest- oder Maximalhöhe des Abfindungsanspruchs im Verhältnis zum wirklichen Wert findet, bleibt ungewiss, was letztlich unter einem „gravierenden Missverhältnis\“ zu verstehen ist.
In der Literatur, findet sich diesbezügliche folgender Grundsätze:
In Fällen, in denen der ausscheidende Gesellschafter die Gesellschaft aus Gründen verlässt, die dem Ausschluss verwandt sind, muss sein Interesse an einer angemessenen Abfindung zurücktreten. Abschläge von 50 Prozent des Verkehrswerts als Orientierungswert für die Anpassung sind durchaus gerechtfertigt.
Anders ist zu entscheiden, wenn sein Ausscheiden unter Umständen erfolgt, die einem Austritt aus wichtigem Grund ähneln. Dann überwiegt der hinter § 723 III BGB stehende Gedanke, weswegen als Anhaltspunkt für eine dann – noch – angemessene Abfindung ein Abschlag von 30 Prozent vom Verkehrswert dienen soll.
IV. Ausblick, Empfehlung
Haben Gesellschafter die Ermittlung einer Abfindung nach dem Stuttgarter Verfahren vereinbart, gilt dies nach wie vor.
Der Gesetzgeber hat das Stuttgarter Verfahren allerdings bereits vor mittlerweile zehn Jahren aufgegeben.
Dies sollte Anlass genug sein, ebenfalls über die Vereinbarung einer anderen Bewertungsmethodik und einer Anpassung der Satzung nachzudenken.
Eine auf den Einzelfall abgestimmte \“Abfindungsregelung\“ erspart oft sehr teure Rechtstreitigkeiten und/oder Gutachten.
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