Wie der BGH die Berufung auf fehlenden Handelsregistereintrag bei Abberufung des Geschäftsführers gemäß § 15 I HGB bewertet, Analyse
Die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 9. Januar 2024 (II ZR 220/22) beleuchtet zentrale Fragen zur negativen Publizität des Handelsregisters gemäß § 15 I HGB.
I. Problemstellung
Gemäß § 15 I HGB muss ein Dritter eine eintragungspflichtige Tatsache nicht gegen sich gelten lassen, solange diese nicht im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht ist, es sei denn, er hat positive Kenntnis davon. Im vorliegenden Fall wurde der Geschäftsführer einer Immobilien-GmbH abberufen und verkaufte kurz darauf einen wesentliches Vermögensgegenstand der Gesellschaft ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
Die zentrale Frage war, ob der Käufer sich auf die fehlende Eintragung der Abberufung berufen kann, obwohl ihm der Abberufungsbeschluss bekannt war.
II. Rechtliche Würdigung
Positive Kenntnis vs. Kenntnis der Wirksamkeit
Der BGH differenziert zwischen der Kenntnis des Abberufungsbeschlusses und der Kenntnis von dessen Wirksamkeit. Nur letztere ist im Rahmen des § 15 I HGB relevant. Zweifel an der Wirksamkeit des Beschlusses, die dem Dritten bekannt sind, schließen die Berufung auf die fehlende Eintragung aus. Nachforschungspflichten treffen den Dritten dabei nicht.
Missbrauch der Vertretungsmacht
Die grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht des Geschäftsführers wird durch die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht begrenzt. Das Vertrauen des Geschäftsgegners ist nicht schutzwürdig, wenn ein bewusster Nachteil für den Vertretenen vorliegt oder der Missbrauch offensichtlich ist.
Der BGH betont aber, dass der Geschäftsführer vor der Veräußerung des gesamten Vermögens der Gesellschaft die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen muss. Dies gilt auch, wenn das Vermögen im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht, selbst wenn der Unternehmensgegenstand den Verkauf von Grundstücken umfasst.
Ein Verstoß gegen diese Vorlagepflicht kann auch im Außenverhältnis wirksam werden, wenn dem Geschäftspartner klar sein muss, dass ein solches Geschäft ohne Zustimmung der Gesellschafter nicht zulässig ist.
III. Praktische Konsequenzen und Handlungsempfehlungen
Diese Entscheidung zeigt die Gefahren der weitreichenden Rechtsscheinwirkung des § 15 I HGB auf. Um rechtliche Risiken zu minimieren, sollten Gesellschafter und Geschäftsleiter folgende Maßnahmen ergreifen:
- Rasche Eintragung im Handelsregister: Änderungen in der Geschäftsführung sollten umgehend zur Eintragung angemeldet werden.
- Information der Geschäftspartner: Geschäftspartner sollten über Veränderungen in der Geschäftsführung schnell informiert werden.
- Einstweilige Verfügung: Ein Antrag auf einstweilige Verfügung zur Untersagung der Geschäftsführung durch den abberufenen Geschäftsführer kann als Abwehrmaßnahme in Betracht gezogen werden.
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