Compliance Management-System

Die Einrichtung eines effektiven Compliance Management-Systems (CMS) ist nicht nur eine Frage der Best Practice, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit für Geschäftsführer.
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Ein prägnantes Beispiel für die potenziell gravierenden Konsequenzen einer unterlassenen Compliance bietet das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg. In diesem Urteil wurde ein Geschäftsführer zu Schadensersatz verpflichtet, weil er es versäumte, ein adäquates CMS zu implementieren.

Das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die umfassenden Verantwortlichkeiten von Geschäftsführern, die über die reine Geschäftsführung hinausgehen und die Implementierung von Kontrollsystemen umfassen, die zur Verhinderung von Rechtsverstößen unerlässlich sind.

Dieser Beitrag beleuchtet die zentralen Aspekte des Falls und erläutert, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Risiken einer Non-Compliance zu minimieren und die Unternehmensführung zu optimieren.

I. OLG Nürnberg Urteil vom 30.03.2022 (Az. 12 U 1520/19)

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat mit Urteil vom 30.03.2022 (Az. 12 U 1520/19) einen Geschäftsführer zur Schadensersatzleistung verurteilt, weil er es versäumt hatte, ein ordnungsgemäßes Compliance Management-System einzurichten. Konkret ging es um die fehlende Implementierung eines Vier-Augen-Prinzips bei der Überprüfung von Kreditlimits, die das Unternehmen seinen Kunden gesetzt hatte.

Hintergrund der Entscheidung

Mehrfach waren Kreditlimits überzogen worden, weshalb die Geschäftsführung angewiesen wurde, ein Vier-Augen-Prinzip zur Kontrolle einzuführen. Der Geschäftsführer veranlasste jedoch keine entsprechenden Maßnahmen und überwachte auch nicht deren Umsetzung.

Pflichten eines Geschäftsführers laut OLG Nürnberg

Laut dem OLG muss ein Geschäftsführer nicht jede Maßnahme persönlich beschließen und durchführen. Er ist jedoch dafür verantwortlich, eine interne Organisationsstruktur zu schaffen, die die „Rechtmäßigkeit und Effizienz“ des Handelns sicherstellt. Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer stets den Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft behalten muss. Ein funktionierendes Compliance Management-System muss eingerichtet werden, um Rechtsverstöße durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter zu verhindern.

Der Geschäftsführer hat zudem die Pflicht, den Geschäftsgang zu überwachen und sofort einzugreifen, wenn Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten erkennbar werden.

Konsequenzen der Unterlassung

Im vorliegenden Fall unterließ der Geschäftsführer die Einrichtung einer ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation mit entsprechenden Kontrollmechanismen. Dies ermöglichte es einem Mitarbeiter, Straftaten zu begehen. Besonders in gefahrgeneigten und sensiblen Unternehmensbereichen ist dies von erheblicher Relevanz.

Das Urteil des OLG Nürnberg unterstreicht die enorme Bedeutung eines wirksamen Compliance Management-Systems für Geschäftsführer. Die Einrichtung und Überwachung solcher Systeme sind unerlässlich, um rechtliche Verstöße zu vermeiden und die Haftung der Geschäftsführer zu minimieren.

II. Beispiele für Compliance-Verstöße durch Geschäftsführer einer GmbH

1. Korruption und Bestechung

Ein Geschäftsführer, der sich von Lieferanten oder Kunden bestechen lässt oder Bestechungsgelder zahlt, um Geschäftsabschlüsse zu sichern, verstößt gegen Compliance-Richtlinien und Gesetze wie das Strafgesetzbuch (StGB) und das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung.

2. Unzureichende Buchführung und Bilanzierung

Die falsche Darstellung der finanziellen Lage der GmbH, sei es durch bewusstes Fälschen von Bilanzen oder durch Nachlässigkeit, kann zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen. Dies umfasst das Verschleiern von Verbindlichkeiten oder das überhöhte Darstellen von Einnahmen.

3. Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen

Ein Geschäftsführer, der Datenschutzgesetze wie die DSGVO missachtet, indem er personenbezogene Daten ohne Zustimmung verarbeitet oder unzureichende Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz dieser Daten implementiert, riskiert schwere Strafen und Schadenersatzforderungen.

4. Umweltverstöße

Nichteinhaltung von Umweltauflagen kann erhebliche Bußgelder nach sich ziehen. Beispiele sind das illegale Entsorgen von Abfällen oder das Überschreiten von Emissionsgrenzen, was gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) oder das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) verstößt.

5. Verstoß gegen Arbeitsrecht

Ein Geschäftsführer, der systematisch gegen arbeitsrechtliche Vorschriften verstößt, wie etwa durch unrechtmäßige Kündigungen, Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften oder die Unterdrückung von Arbeitnehmerrechten, riskiert rechtliche Auseinandersetzungen und Bußgelder.

6. Insiderhandel

Nutzen von vertraulichen Informationen für den Handel mit Aktien oder anderen Wertpapieren der GmbH oder von Unternehmen, mit denen die GmbH in Geschäftsbeziehungen steht, stellt einen schweren Compliance-Verstoß dar und ist nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) strafbar.

7. Interessenkonflikte und Selbstkontrahieren

Ein Geschäftsführer, der ohne Genehmigung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafterversammlung Geschäfte tätigt, bei denen er persönliche Vorteile erlangt oder Beteiligungen an konkurrierenden Unternehmen hält, handelt rechtswidrig.

8. Missachtung von Haftungsregelungen

Verletzung der Sorgfaltspflichten durch fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln, das der GmbH Schaden zufügt, führt zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers. Beispiele sind riskante Investitionen ohne ausreichende Prüfung oder das Eingehen unverhältnismäßig hoher Verbindlichkeiten.

9. Verstöße gegen Wettbewerbsgesetze

Teilnahme an Preisabsprachen oder Kartellbildungen stellt einen schweren Verstoß gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dar und kann zu hohen Geldbußen und Schadenersatzforderungen führen.

10. Untreue und Unterschlagung

Ein Geschäftsführer, der Gelder oder Vermögenswerte der GmbH für private Zwecke verwendet oder unterschlägt, verstößt gegen § 266 StGB (Untreue) und riskiert strafrechtliche Verfolgung sowie zivilrechtliche Schadenersatzforderungen.

III. Compliance Management: Definitionen und Erklärungen

Was ist Compliance Management?

Compliance Management umfasst die systematische Überwachung und Sicherstellung der Einhaltung aller relevanten gesetzlichen Bestimmungen, internen Richtlinien und externen Vorgaben, die auf ein Unternehmen zutreffen. Dies schließt die Einrichtung eines Compliance-Management-Systems (CMS)ein, das darauf abzielt, betriebsinterne Prozesse zu optimieren und die Rechtstreue kontinuierlich zu überwachen.

Schlüsselbereiche des Compliance Managements

Das Compliance Management deckt eine Vielzahl von Bereichen ab, die für die Integrität und das rechtskonforme Verhalten eines Unternehmens entscheidend sind. Zu den wesentlichen Compliance-Bereichen gehören:

  • Anti-Korruption und Betrugsprävention: Verhinderung von Korruption und Betrug durch strenge Richtlinien und Kontrollen.
  • Arbeitsrecht: Sicherstellung der Einhaltung aller relevanten arbeitsrechtlichen Bestimmungen, von Arbeitssicherheit bis zu geregelten Arbeitszeiten.
  • Datenschutz: Schutz personenbezogener Daten gemäß lokalen und internationalen Datenschutzgesetzen.
  • Öffentliches Recht: Compliance mit öffentlich-rechtlichen Anforderungen wie Betriebsgenehmigungen.
  • Steuerrecht: Compliance mit steuerlichen Pflichten, insbesondere fristgerechte Abgaben von Steuererklärungen, Vermeidung von Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit.
  • Strafrecht und Sozialversicherungsrecht: Prävention von Delikten und Einhaltung der Sozialversicherungsvorschriften.
  • Umwelt-, Sozial- und Governance-Richtlinien (ESG): Befolgung von Umweltstandards und sozialverantwortlichem Handeln.

Konsequenzen bei Non-Compliance

Unternehmen, die Compliance-Vorschriften nicht beachten, sehen sich schwerwiegenden Konsequenzen gegenüber, darunter:

  • Bußgelder und rechtliche Strafen
  • Reputationsschäden
  • Arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Kündigungen
  • Schadensersatzforderungen und potenzielle Freiheitsstrafen für schwere Verstöße

Rolle und Aufgaben eines Compliance Managers

Compliance Manager spielen eine entscheidende Rolle bei der Überwachung und Durchsetzung von Compliance-Standards. Zu ihren Hauptaufgaben gehören insbesondere:

  • Entwicklung und Implementierung interner Regelwerke
  • Überwachung der Einhaltung aller relevanten Gesetze
  • Unternehmensstandards beaufsichtigen und optimieren
  • Schulung der Mitarbeiter zu Compliance-Themen
  • Aktualisierung und Optimierung von Unternehmensstandards und -prozessen

Was ist eine Compliance-Strategie?

Eine effektive Compliance-Strategie integriert mehrere Dimensionen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen umfassend auf die Einhaltung aller relevanten Vorschriften vorbereitet ist. Diese Dimensionen umfassen:

  • Funktionale Dimension: Ziel und Zweck der Strategie.
  • Materielle Dimension: Umfang und Reichweite der geltenden Vorschriften.
  • Personelle Dimension: Verantwortliche für die Umsetzung der Strategie.
  • Territoriale Dimension: Geografische Anwendungsbereiche der Strategie.

Ziele der Compliance

Primäres Ziel des Compliance Managements ist der Schutz des Unternehmens vor rechtlichen und finanziellen Risiken. Weitere Ziele sind:

  • Verhinderung von Fehlverhalten
  • Förderung von Transparenz und ethischem Verhalten
  • Steigerung der Effizienz und Effektivität
  • Verbesserung des Unternehmensratings und der Kreditwürdigkeit
  • Erhöhung der Attraktivität als Arbeitgeber

IV. Strategien für die erfolgreiche Implementierung eines Compliance-Management-Systems

Die Integration eines Compliance-Management-Systems (CMS) ist ein entscheidender Schritt für Unternehmen, um gesetzliche Anforderungen zu erfüllen und die Unternehmensintegrität zu stärken. Hier sind wesentliche Tipps, die zur erfolgreichen Einführung und nachhaltigen Umsetzung eines CMS beitragen.

Grundlegende Fragen klären: Zuallererst sollte festgestellt werden, ob ein CMS für das Unternehmen notwendig ist. Es ist wichtig zu definieren, welche Bereiche das System abdecken soll und wie es strukturiert sein muss, um effektiv zu funktionieren.

Verantwortlichkeiten definieren: Klare Zuständigkeiten sind das Rückgrat eines jeden Compliance-Systems. Bestimmen Sie, welche Teammitglieder für den Compliance-Bereich verantwortlich sind, an wen sie berichten und wie häufig diese Berichte erfolgen sollen.

Bewusstsein und Verständnis fördern: Die erfolgreiche Implementierung eines CMS hängt stark davon ab, wie gut die Mitarbeiter über die Compliance-Strategien informiert sind. Stellen Sie sicher, dass die Richtlinien klar kommuniziert und leicht zugänglich sind.

Integration in den täglichen Betrieb: Das CMS sollte nahtlos in die bestehenden Unternehmensprozesse integriert werden. Ein interner Ansprechpartner für Compliance-Fragen kann dabei helfen, das System im Arbeitsalltag zu verankern.

Feedback einholen und das System weiterentwickeln: Aktives Einbeziehen der Mitarbeiter in den Verbesserungsprozess des CMS ist entscheidend. Nehmen Sie regelmäßig Feedback auf und integrieren Sie dieses in die Weiterentwicklung des Systems.

Ressourcen effektiv nutzen: Identifizieren Sie Schlüsselabteilungen, die bei der Implementierung und Aufrechterhaltung des CMS besonders wichtig sind. Nutzen Sie bestehende Ressourcen und Expertisen.

Transparenz und Dokumentation sicherstellen: Sorgen Sie für Transparenz in den Compliance-Prozessen und dokumentieren Sie alle Maßnahmen sorgfältig. Dies ist nicht nur für interne Überprüfungen wichtig, sondern auch essentiell, um im Falle eines Verstoßes beweiskräftige Unterlagen bereitzustellen.

Effekte messen und reagieren: Überwachen Sie die Effektivität Ihres CMS durch regelmäßige Mitarbeiterumfragen zur Akzeptanz der Maßnahmen. Reagieren Sie auf das Feedback, um kontinuierliche Verbesserungen zu gewährleisten.

V. Schlussfolgerung: Compliance Management als unverzichtbares Element moderner Unternehmensführung

Ein umfassend implementiertes Compliance Management-System (CMS) ist unerlässlich für jede Organisation, die nachhaltig und gesetzeskonform operieren möchte.

Die Vorfälle und gerichtlichen Entscheidungen, wie das Urteil des OLG Nürnberg, veranschaulichen drastisch die Konsequenzen einer unzureichenden Compliance und die hohe Verantwortung, die Geschäftsführern obliegt. Durch die Implementierung eines CMS schützen Unternehmen nicht nur ihre finanziellen und operationellen Interessen, sondern stärken auch ihre Glaubwürdigkeit und das Vertrauen ihrer Stakeholder.

Ein effektives CMS dient als Rückgrat für eine transparente, gesetzeskonforme Unternehmensführung, die proaktiv Risiken minimiert und die Integrität auf allen Ebenen sichert.

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