Gesellschafterstreit – Praxiswissen zur Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen
Angesichts der Vielzahl an „Fehlermöglichkeiten“ empfiehlt es sich daher – gerade im Streitfall – vor der Durchführung einer entsprechenden Einziehung von einem Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht beraten zu lassen.
Gesellschafterstreit unter Gesellschaftern einer GmbH ist leider keine Seltenheit. Zudem regelt das GmbHG den Gesellschafterstreit nur spärlich und rudimentär!
Daher: Regelungen zur Trennung von Gesellschaftern unbedingt frühzeitig in die Satzung aufnehmen
Gerade beim Gesellschafterstreit zeigt sich besonders deutlich, wie außerordentlich wichtig es für die Gesellschaft ist, inhaltlich klare und bestimmte Regelungen zur Trennung von Gesellschaftern frühzeitig – am Besten bei Gründung der Gesellschaft – in die Satzung umfassend zu treffen bzw. diese Regelungen nachträglich entsprechend anzupassen.
Neben der nachfolgend näher dargestellten Einziehung GmbH-Geschäftsanteil nach § 34 GmbHG (Amortisation) besteht die Möglichkeit der so genannten Kaduzierung nach §§ 21-25 GmbHG, die zwar einen Fall der Ausschließung eines Gesellschafters regelt, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Einlage fällig und nicht geleistet ist. Diese Form der Ausschließung eines Gesellschafters kommt bei einem Gesellschafterstreit in der Praxis kaum in Betracht.
Eine weitere gesetzliche Alternative stellt die Auflösung der Gesellschaft nach § 61 GmbHG dar. Diese führt aber zur Zerstörung der Gesellschaft und ist oft keine angemessene und geeignete Möglichkeit, um sich von einem lästigen Gesellschafter zu lösen.
Der in Rechtsprechung entwickelte Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund führt im Gegensatz zur Einziehung nicht zum Untergang des Geschäftsanteils, dieser muss demzufolge von der Gesellschaft oder einem anderen Mitgesellschafter übernommen werden. Ohne entsprechende Satzungsregelung ist diese Alternative nur im Wege eines Klageverfahrens durchzusetzen, erfordert also ein gerichtliches Gestaltungsurteil.
A. Gesetzliche Rechtsgrundlage: § 34 GmbHG
- Gesellschafterstreit: Das Gesetz sieht mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen sowohl den Fall der freiwilligen Einziehung wie auch den Fall der sogenannten Zwangseinziehung vor:
§ 34 GmbHG
(1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist.
(2) Ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren.
(3) Die Bestimmung in § 30 Abs. 1 bleibt hiervon unberührt.
B. Allgemeine Voraussetzungen der Einziehung
I. Erforderlichkeit einer gesellschaftsrechtlichen Regelung
Die Einziehung bedarf in jedem Fall einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag (Satzung).
Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Einziehungsklausel, so wirkt diese grundsätzlich nur gegenüber denjenigen Gesellschaftern, bei deren Beitritt sie bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt war.
Im ersten Schritt ist daher im konkreten Fall anhand des Gesellschaftsvertrages prüfen, inwieweit dieser Regelungen zur Einziehung eines Geschäftsanteils enthält.
II. Begrenzte Möglichkeit einer späteren Satzungsänderung
Sollte die Satzung der Gesellschaft keine entsprechende Regelung enthalten, so besteht unter den nachfolgenden Maßgaben die Möglichkeit, die Satzungsgrundlage für die Einziehung auch im Wege einer Satzungsänderung (§ 53 GmbHG) zu begründen.
Äußerst umstritten ist hierbei, welche Mehrheitserfordernisse für eine solche Satzungsänderung gegeben sein müssen.
Die Einführung einer Satzungsklausel zur sogenannten freiwilligen Einziehung wird im Hinblick auf den ausscheidenden Gesellschafter als unproblematisch erachtet: Es soll genügen, wenn dieser zu gegebener Zeit zustimmen muss.
Für eine spätere Einführung durch Satzungsänderung oder eine spätere Veränderung zum Nachteil des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters ist zwingend die Zustimmung aller hiervon betroffenen Gesellschafter (Einstimmigkeit) erforderlich. Fehlt es hieran, d. h. wurde z. B. im Falle einer Zwangseinziehung der Beschluss nur mehrheitlich geschlossen, gilt diese Satzungsänderung als nicht wirksam zustande gekommen.
Gerade das Erfordernis der einstimmigen Beschlussfassung im Falle einer Zwangseinziehung macht besonders deutlich, wie wichtig es ist, entsprechende Regelungen nicht erst im Krisenfall, sondern so frühzeitig wie möglich in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.
III. Volleinzahlung des einzuziehenden Geschäftsanteils
Ungeschriebene Voraussetzung ist ferner die Volleinzahlung des Geschäftsanteils, d. h. dass die Einlage auf den einzuziehenden Geschäftsanteil muss voll eingezahlt sein, da andernfalls § 19 Abs.2 Satz 1 GmbHG der Einziehung entgegensteht.
IV. Erfordernis der Erbringung der Abfindung aus ungebundenem Gesellschaftsvermögen
Bei entgeltlicher Einziehung verlangt § 34 Abs. 3 GmbHG darüber hinaus, dass das Entgelt für die Einziehung nur aus dem im Sinne des § 30 GmbHG nicht gebundenen Vermögen erbracht werden darf.
Hieraus folgt, dass eine Abfindung nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft erbracht werden darf. Hierbei wird auf die bilanzielle Betrachtungsweise abgestellt. Führt die Zahlung der Abfindung zu einer Unterbilanz ist der Einziehungsbeschluss nichtig.
Sofern z. B. ein Mitgesellschafter die Abfindung an den Ausscheidenden erbringt und sodann von der Gesellschaft den Abfindungsbetrag in Gestalt eines Darlehens später zurückverlangt, wird dies als ein Fall unzulässiger Umgehung der vorgenannten Vorschriften gewertet.
Unproblematisch ist die Einziehung jedoch dann, wenn die Abfindung des Ausscheidenden nicht aus dem Vermögen der Gesellschaft gezahlt wird, sondern von einem Dritten, der keine Erstattungsansprüche gegen die Gesellschaft geltend machen kann sowie nach neuer Rechtsprechung, wenn in der Satzung festgelegt ist, dass ein Gesellschafter auch schon vor der Zahlung seiner Abfindung endgültig aus der Gesellschaft ausscheidet.
C. Besondere Voraussetzungen bei der Zwangseinziehung
Der Zwangseinziehung kommt besondere praktische Bedeutung zu, da ihr Ziel oftmals die Klärung erbrechtlicher Fragen oder die Lösung von Problemen bei drohender Verwertung eines Gesellschaftsanteils durch Gläubiger eines Gesellschafters ist.
Daneben eröffnet die Zwangseinziehung schließlich aber auch der Gesellschaftermehrheit die Möglichkeit, sich von untragbaren, lästigen Mitgesellschaftern zu trennen.
Eine Zwangseinziehung bedeutet den Entzug der Mitgliedschaft gegen den Willen des Betroffenen.
Das Gesetz hat daher für den Fall der Zwangseinziehung neben den „allgemeinen Voraussetzungen“ folgende „besonderen Voraussetzungen“ statuiert:
Die Einziehungsgründe müssen im Gesellschaftsvertrag – also in der Satzung einer GmbH – so genau festgelegt sein, dass sich die Gesellschafter darauf einstellen können.
Die Satzung muss also die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Bedingungen der Einziehung exakt festlegen. Daher muss auch sowohl die Berechnung der Abfindung für den eingezogenen Geschäftsanteil als auch die Auszahlung des Entgelts genau geregelt sein.
Als Einziehungsgründe kommen dabei in Betracht:
- Pfändung des Geschäftsanteils
- Insolvenz des Gesellschafters
- Verlust bestimmter Eigenschaften
- Niederlegung der Mitarbeit
- nachhaltig grobe Pflichtverletzungen
- inhaltlich richtige Veröffentlichung über drohende Konkursgefahr der Gesellschaft
- schwerer Verstoß gegen gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot sowie
- ein „wichtiger Grund“ im Sinne der §§ 61 Abs. 1 GmbHG, 133, 140 HGB
D. Durchführung der Einziehung
Die Einziehung erfolgt durch Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 4 GmbHG und dessen Bekanntgabe an den betroffenen Gesellschafter.
In der Einladung zur diesbezüglichen Gesellschafterversammlung muss die Einziehung ausdrücklich angekündigt werden; darüber hinaus muss die Ankündigung die gegen den Gesellschafter bestehenden Vorwürfe, mithin die Einziehungsgründe, detailliert und substantiiert enthalten.
Die Beschlussfassung bedarf gesetzlich der einfachen Stimmenmehrheit (§ 47 Abs.1 GmbHG), wobei durch Satzung aber auch eine anders lautende Regelung zulässig ist (§§ 47 Abs.1, 45 Abs.2 GmbHG).
Dem betroffenen Gesellschafter steht hierbei grundsätzlich ein Stimmrecht zu, es sei denn die Zwangseinziehung erfolgt aus Gründen in der Person des betroffenen Gesellschafters oder der Gesellschaftsvertrag schließt das Stimmrecht der betroffenen Gesellschafter ausdrücklich aus.
Vor der Beschlussfassung über die Einziehung ist der zugrunde liegende Sachverhalt in der Gesellschaftsversammlung offen zu legen und dem betroffenen Gesellschafter rechtliches Gehör zu gewähren.
Eine Beurkundung des Einziehungsbeschlusses ist zwar nach überwiegender Auffassung nicht erforderlich, jedoch aus Beweisgründen in jedem Fall ratsam.
E. Abfindung
- Die Zwangseinziehung ist grundsätzlich nur gegen Entgelt zulässig.
Ist in der Satzung der Gesellschaft keine die Höhe des Entgeltanspruchs beschränkende Abfindungsklausel enthalten, so ist der Abfindungsbetrag nach dem Verkehrswert des Geschäftsanteils zu bemessen, worunter der anteilige Betrag des Preises zu verstehen ist, den ein Dritter als Erwerber des gesamten Unternehmens zahlen würde.
Die daneben denkbaren gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und Abfindungsbeschränkungen sind vielfältig: so können neben der Höhe des Abfindungsanspruchs auch die Auszahlungsmodalitäten geregelt werden.
Hinsichtlich der Höhe des Abfindungsanspruchs sind jedoch die nachfolgenden Vorgaben der Rechtsprechung zu beachten.
I. Ursprüngliches Missverhältnis
Danach darf zum einen kein anfängliches Missverhältnis bestehen. Hiervon ist dann auszugehen ist, wenn die diesbezügliche Satzungsregelung bereits bei ihrer Einführung grob unbillig war, weil die mit ihr verbundene Beschränkung des Mittelabflusses gänzlich außer Verhältnis zu einer im Interesse der Gesellschaft notwendigen Beschränkung steht und der wirtschaftliche Wert des Geschäftsanteils den Abfindungsbetrag erheblich übersteigt.
Ein solcher Fall liegt z. B. dann vor, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Abfindung zum Nennwert vorsieht, obwohl der Verkehrswert ein Vielfaches des Nennwertes darstellt.
Auch eine Entgeltklausel, die den Abfindungsbetrag auf die Hälfte des Buchwertes festsetzt, ist nach der Rechtsprechung als sittenwidrig zu bewerten. Da Sittenwidrigkeit zur Nichtigkeit der Klausel führt, schuldet die Gesellschaft dem betroffenen Gesellschafter eine Abfindung zum vollen Verkehrswert.
Daher ist es ratsam, entsprechende Abfindungsklauseln vor deren Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag besonders sorgfältig zu prüfen und eventuell rechtzeitig eine Satzungsänderung anzustreben.
II. Nachträgliches Missverhältnis
Eine Abfindungsklausel kann darüber hinaus auch durch ein späteres Missverhältnis unwirksam werden, so z. B. wenn die in der Satzung festgelegte Abfindung ursprünglich angemessen war und das Missverhältnis zwischen Anteilswert und Abfindungshöhe erst im Laufe der Zeit aufgrund einer positiven Geschäftsentwicklung der Gesellschaft entstanden ist.
In diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung nicht von Sittenwidrigkeit auszugehen, vielmehr ist die entsprechende Abfindungsklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzupassen.
Maßgeblich hierfür sind die Umstände des Einzelfalles, so z. B. Dauer der Zugehörigkeit des Ausscheidenden zur Gesellschaft, sein Beitrag zum Erfolg der Gesellschaft sowie die Frage, ob und in welchem Umfang er den Grund für die Einziehung zu vertreten hat.
F. Wirkung der Einziehung
Die Einziehung führt zur Vernichtung des Geschäftsanteils und der entsprechenden Mitgliedschaftsrechte an der GmbH.
Da gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile – auch im Falle einer Einziehung – mit dem Stammkapital übereinstimmen muss, soll den Gesellschaftern weiterhin die Möglichkeit bleiben, die Einziehung mit einer Kapitalherabsetzung zu verbinden, die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile durch nominelle Aufstockung an das Stammkapital anzupassen oder einen neuen Geschäftsanteil zu bilden.
Der Zeitpunkt des Eintritts dieser Rechtsfolgen richtet sich in erster Linie nach der gesellschaftsrechtlichen Regelung.
Als zulässig wird insoweit eine Satzungsbestimmung erachtet, die den Verlust der Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte unabhängig von der Abfindungszahlung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung bzw. Bekanntmachung vorsieht.
Da die Einziehung dem Gebot der Kapitalerhaltung unterliegt, ist ein Einziehungsbeschluss bereits dann nichtig, wenn die Abfindung – bei sofortiger Fälligkeit – im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft aufgebracht werden kann.
In diesem Fall kann aber – bei entsprechender Grundlage im Gesellschaftsvertrag – beschlossen werden, dass der Geschäftsanteil zwangsweise an einen oder mehrere Mitgesellschafter abgetreten wird oder dass die Abfindung nicht durch die Gesellschaft selbst, sondern durch deren Gesellschafter aufgebracht wird.
G. Empfehlungen
Angesichts der vorstehenden Ausführungen wird dringend empfohlen, Bestimmungen über die Einziehung in die GmbH-Satzung aufzunehmen. Dieses Erfordernis folgt schon aus der Vorschrift des § 34 Abs.1 GmbHG, die zur Einziehung eines Geschäftsanteils eine entsprechende Satzungsregelung verlangt.
Ferner folgt dies auch daraus, dass im Falle der Zwangseinziehung die exakte Festlegung der Einziehungsgründe im Gesellschaftsvertrag gesetzlich vorgeschrieben ist.
Auch bei der Beschlussfassung über die Einziehung sind wesentliche Verfahrensvorschriften einzuhalten, damit sich die Einziehung als rechtsbeständig erweist.
Angesichts der Vielzahl an „Fehlermöglichkeiten“ empfiehlt es sich daher – gerade im Streitfall – vor der Durchführung einer entsprechenden Einziehung von einem Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht beraten zu lassen.
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