Gem. § 129 InsO kann ein Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die die Insolvenzgläubiger benachteiligen, anfechten.
Durch die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung soll der Interessenkonflikt zwischen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger und dem Einzelbegünstigten, der die bereits erlangten Vermögensvorteile behalten möchte, zum Ausgleich gebracht werden.
Gem. § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner mit dem Vorsatz vornahm, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
Führt ein Gläubiger mit dem Schuldner Verhandlungen über die Erfüllung fälliger Zahlungen und ist für den Gläubiger die „finanzielle Situation“ des Schuldners aufgrund stockender oder unzuverlässiger Zahlungen oder anderen Indikatoren erkennbar, befindet sich der Gläubiger in der Gefahr, die erhaltenen Zahlungen gem. § 133 Abs. 1 InsO zurückzahlen zu müssen.
Grundsätzlich trägt die Darlegungs- und Beweislast der Insolvenzverwalter.
Gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis des Vorsatzes aber vermutet, wenn der Gläubiger wusste, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit droht und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
Im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist offensichtlich, dass nicht mehr alle Gläubiger befriedigt werden können. Die Zahlungseinstellung des Schuldners begründet eine gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit.
Von der Rechtsprechung wurden zahlreiche weitere Indizien für die „Zahlungsunfähigkeit“ entwickelt. Als für den Gläubiger erkennbare Indizien für die Zahlungseinstellung des Schuldners gelten z.B.:
- mehr als halbjährige Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen (BGH IX ZR 48/01) oder Steuerschulden (BGH IX ZR 32/14);
- Stundungsanträge, Vollstreckungsversuche (OLG Frankfurt 16 U 70/15);
- Sperre der für den Betrieb erforderlichen Stromversorgung (OLG Oldenburg 1 U 94/14);
- Rückgabe von Lastschriftaufträgen (BGH IX ZR 180/12);
- Zahlung von Schulden aus lediglich geduldeten Überziehungen des Bankkontos (BGH IX ZR 32/14).
Besonders deutlich wird die aktuelle Rechtsprechung des BGH durch folgendes Zitat:
„Diese Gegebenheiten trugen zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrechtzuerhalten (BGH IX ZR 203/12).“
BGH
Kennt der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich die Zahlungseinstellung ergibt, kennt er damit auch die Zahlungsunfähigkeit. Bewertet er die ihm bekannten Tatsachen falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat. Damit beinhaltet eine Insolvenzanfechtung stets den Vorwurf, der Gläubiger habe sich unter Berücksichtigung der Zahlungsschwierigkeiten zu Lasten anderer bereichert.
Anfechtbar sind Rechtshandlungen innerhalb von zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach einem solchen Antrag. Der lange Rückwirkungszeitraum für Rückforderungsansprüche eines späteren Insolvenzverwalters gegenüber den früheren Gläubigern (§ 143 InsO) begründet erhebliche Risiken.
Wann und inwieweit Zahlungsstockungen oder die Vereinbarung erleichterter Zahlungsbedingungen zu schädlicher Kenntnis der Gegenseite und somit zur späteren Anfechtbarkeit führen kann, ist in jedem Einzelfall zu klären. Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen uneinheitlich.
- Ratenzahlungsvereinbarungen können nach dem BGH (IX ZR 308/13) als neutral zu beurteilen sein, wenn diese ich im Rahmen der Gepflogenheiten des üblichen Geschäftsverkehrs halten. Wenn Zahlungsschwierigkeiten Anlass der Ratenzahlungsvereinbarung sind, scheidet eine solche Qualifikation allerdings aus.
- Eine einmal eingestellte Zahlung kann nur wieder dadurch beseitigt werden, dass die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen werden; Ratenzahlungsvereinbarungen genügen dann nicht mehr.
Zur Entkräftung der Beweisanzeichen und zur Widerlegung der Vermutung und somit zur Vermeidung von Vorsatzanfechtungen nach § 133 Abs. 1 InsO ist ein Sanierungskonzept /-gutachten unverzichtbar.
Ein entsprechendes Sanierungskonzept oder Sanierungsgutachten hat umfangreiche Anforderungen zu erfüllen!
Nach der Rechtsprechung des BGH hat ein Sanierungskonzept /-gutachten folgende Anforderungen zu erfüllen:
- Das Sanierungskonzept muss von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen und darf nicht offensichtlich undurchführbar sein. Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen, nicht notwendigerweise unbeteiligten, branchenkundigen Fachmannes abzustellen.
- Dem Gutachter lagen die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vor.
- Die Prüfung muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags-und Finanzlage erfassen.
- Das Sanierungsgutachten beurteilt die Vermögens-, Ertrags-und Finanzlage des Unternehmens zutreffend.
- Das Sanierungskonzept ist in sich schlüssig.
- Das Unternehmen ist aus Sicht eines objektiven Dritten nach einer ex-ante-Betrachtung objektiv sanierungsfähig und die für seine Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen sind objektiv geeignet, das Unternehmen in überschaubarer Zeit zu sanieren.
- Die geplanten Sanierungsmaßnahmen sind jedenfalls in Ansätzen schon in die Tat umgesetzt, d.h. die Sanierungsaktivitäten wurden objektiv sachgerecht eingeleitet.
Die Erstellung entsprechender Sanierungskonzepte richtet sich nach dem IDW Standard S6.
Die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO eintretende Vermutungswirkung kann entkräftet werden kann, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist.
Dies hat der BGH (IX ZR 65/14) bestätigt. In dieser Entscheidung stellt der BGH erneut klar, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bestand, beim Gläubiger liegt.
Will der Gläubiger seine Unkenntnis vom Benachteiligungsvorsatz daraus herleiten, dass geleistete Zahlungen Bestandteil eines schlüssigen Sanierungskonzepts waren, hat er deshalb auch darzulegen und zu beweisen, dass ein solches Sanierungskonzept /-gutachten, das den Anforderungen des BGH entspricht, tatsächlich existierte.
Ein Sanierungsversuch spielt sich denknotwendigerweise in der Sphäre des Schuldners ab und der Gläubiger hat darüber gemeinhin keine Kenntnis aus eigener Anschauung. Der BGH erlegt dem Gläubiger aber das Informationsrisiko auf. Ein Gläubiger hat im Vorfeld einer Sanierungsvereinbarung im eigenen Interesse auf die Erteilung der Informationen zu dringen, die es ihm erlauben, zu beurteilen, ob ein ausreichendes Sanierungskonzept vorliegt. (vgl. GmbHR 2016, 870, 874)
Aufgrund der erheblichen Unsicherheiten soll die Gesetzesfassung der InsO vor allem in folgenden Punkten angepasst werden:
- Verkürzung des Anfechtungszeitraums auf vier Jahre;
- Maßgeblichkeit der Kenntnis von der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit;
- Umkehr der Beweisvermutungen für den Fall von Zahlungsvereinbarungen oder der Vereinbarung von Zahlungserleichterungen;
- Neuregelung der sog. „Bargeschäfte“;
Die Neuregelung bleibt abzuwarten.
- Nähere Informationen zur „Anfechtung in der Insolvenz“.
- Für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.