M&A-Streitigkeiten – Rechtliche Aspekte und effektive Streitbeilegungsmethoden

Mergers & Acquisitions (M&A) sind hochkomplexe Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse, die nicht selten zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Parteien führen. 
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Solche Streitigkeiten können sowohl während der Vorvertragsphase (Pre-Closing) als auch nach dem Vertragsabschluss (Post-Closing) auftreten und betreffen oft erhebliche finanzielle Summen. Um diese Herausforderungen erfolgreich zu managen, ist eine umfassende rechtliche Analyse aller Phasen einer M&A-Transaktion unabdingbar. Dies schließt das Verständnis für die Entstehung von Verträgen, die Risikobewertung, die Ausarbeitung von Vertragsklauseln und die Implementierung effektiver Streitbeilegungsmechanismen ein.

Diese rechtliche Durchdringung erfordert nicht nur ein tiefes Verständnis der gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auch eine hohe Sensibilität für die geschäftlichen Ziele und die Risikobereitschaft der beteiligten Parteien. Strategisch ausgearbeitete Verträge und klar definierte Streitbeilegungsverfahren können das Risiko von Konflikten minimieren und zu einer schnelleren, effizienteren Lösung beitragen, sollte ein Streit entstehen.

I. Zustandekommen und rechtliche Beständigkeit von M&A-Verträgen

Das Zustandekommen und die rechtliche Beständigkeit von Mergers & Acquisitions (M&A)-Verträgen sind entscheidend für den Erfolg einer Transaktion. Eine der häufigsten Fallen in diesem Bereich ist die Formnichtigkeit, welche die Gültigkeit eines Vertrages gefährden kann. Dies betont die Wichtigkeit einer sorgfältigen Überprüfung der rechtlichen Anforderungen an die Vertragsform.

Vermeidung von Formnichtigkeit

Einhaltung der Schriftform: Stellen Sie sicher, dass alle vertraglichen Dokumente in der vorgeschriebenen Form vorliegen. Dies schließt oft eine handschriftliche Unterschrift oder sogar eine notarielle Beurkundung ein.

Fortlaufende Anpassungen an rechtliche und tatsächliche Änderungen: Achten Sie darauf, dass Vertragsklauseln regelmäßig überprüft und an neue rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden,.

Detaillierte Aufklärung aller Parteien: Gewährleisten Sie, dass alle beteiligten Parteien ein klares Verständnis aller formellen Anforderungen haben und die möglichen Folgen von Formmängeln vollständig erkennen.

II. Pre-Closing Streitigkeiten bei M&A-Transaktionen

Konflikte während der Pre-Closing Phase von Mergers & Acquisitions (M&A) sind keine Seltenheit und können den Erfolg der gesamten Transaktion gefährden. Diese Streitigkeiten entstehen häufig während der Vertragsverhandlungen, bei Fehlschlägen von Vorfeldvereinbarungen oder wenn Closing-Voraussetzungen nicht erfüllt werden.

Vertragliche Nebenpflichten und Aufklärungspflichten

Eine zentrale Rolle spielen die vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Verkäufers. Diese sind im deutschen Recht unter § 241 Abs. 2 BGB verankert und fordern eine umfassende Offenlegung wesentlicher Unternehmensinformationen. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch des Verkäufers, das Unternehmen möglichst gewinnbringend zu verkaufen, und dem Bedarf des Käufers, vollständig über das Unternehmen informiert zu werden, führt oft zu Diskrepanzen. Fragen, die in diesem Zusammenhang häufig aufkommen, umfassen:

  • Welche Informationen musste der Verkäufer tatsächlich bereitstellen?
  • Waren die bereitgestellten Informationen möglicherweise irreführend oder falsch?
  • War dem Verkäufer bewusst, dass diese Informationen für die Kaufentscheidung des Käufers wesentlich sind?

Material Adverse Change (MAC)-Klauseln

Besonders relevant sind die sog. Material Adverse Change (MAC)-Klauseln. Diese ermöglichen es einer Partei, sich von einem Vertrag zurückzuziehen, sollte eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen oder operativen Verhältnisse der Zielgesellschaft eintreten. Diese Klauseln sind besonders streitanfällig aufgrund ihrer oft unbestimmten rechtlichen Begriffe, was die Notwendigkeit einer präzisen Formulierung unterstreicht.

Management von Pre-Closing Risiken

Zur effektiven Bewältigung dieser Risiken ist eine proaktive Vorgehensweise erforderlich:

Gründliche Due Diligence: Eine sorgfältige und umfassende Due Diligence-Prüfung kann helfen, spätere Konflikte zu minimieren, indem sie sicherstellt, dass alle relevanten Informationen offen gelegt werden.

Klare Vertragsklauseln: Die präzise Formulierung von Vertragsklauseln, insbesondere von MAC-Klauseln, ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und den rechtlichen Rahmen für mögliche Streitigkeiten abzustecken.

Vorvertragliche Verhandlungen: Transparente und offene Kommunikation während der Vertragsverhandlungen kann dazu beitragen, das Vertrauen zu stärken und die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen zu reduzieren.

III. Post-Closing Streitigkeiten in M&A-Transaktionen

Nach dem Abschluss von Mergers & Acquisitions (M&A) Transaktionen treten häufig komplexe Streitigkeiten auf, die sowohl finanzielle als auch rechtliche Herausforderungen darstellen.

Nichterfüllung und Nichtlieferung

Streitigkeiten über die Nichtlieferung von Anteilen oder allgemeine Nichterfüllungen sind nach dem Closing üblich. Diese Situationen können erhebliche Verzögerungen und finanzielle Verluste verursachen, die die Beziehung zwischen den Transaktionsparteien belasten.

Kaufpreisanpassungen und Earn-Out-Regelungen

Kaufpreisanpassungen und Earn-Out-Regelungen sind oft Gegenstand von Konflikten, insbesondere wenn die finanziellen Erwartungen an das erworbene Unternehmen nicht erfüllt werden. Die Anpassung des Kaufpreises basiert häufig auf spezifischen Bedingungen, die zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Kaufvertrags erfüllt sein müssen. Hierbei können Meinungsverschiedenheiten über den wahren Wert des Unternehmens entstehen, vor allem wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit ändern.

Garantien und vorvertragliche Aufklärung

Die Nichteinhaltung von Garantien oder das Versäumnis, vorvertragliche Aufklärungspflichten zu erfüllen, sind häufige Ursachen für Post-Closing Streitigkeiten. Diese können zu erheblichen Rechtsstreitigkeiten führen, in denen der Käufer Schadensersatzansprüche geltend macht, wenn wesentliche Informationen falsch dargestellt oder verschwiegen wurden. Typische Garantien betreffen die Jahresabschlüsse, den rechtlichen Bestand von Verträgen, Rechtsstreitigkeiten, Compliance und geistiges Eigentum der Zielgesellschaft.

Freistellungsklauseln

Freistellungsklauseln dienen dazu, den Käufer vor bekannten Risiken zu schützen, die bereits während der Due Diligence identifiziert wurden. Diese Klauseln sind entscheidend, um sicherzustellen, dass der Käufer nicht mit unvorhergesehenen Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit der Zielgesellschaft belastet wird. Typische Freistellungen umfassen Steuerverbindlichkeiten, Umweltrisiken und Rückforderungen öffentlicher Beihilfen.

Praktische Tipps zur Vermeidung von Post-Closing Konflikten

Detaillierte Vertragsgestaltung: Eine klare und umfassende Formulierung der Vertragsklauseln kann Unklarheiten vermeiden und die Basis für Streitigkeiten minimieren.

Gründliche Due Diligence: Eine sorgfältige Prüfung des Zielunternehmens hilft, potenzielle Risiken vorab zu identifizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen im Kaufvertrag zu verankern.

Transparente Kommunikation: Offene und fortlaufende Kommunikation zwischen den Parteien während der gesamten Transaktion kann Missverständnisse reduzieren und das Vertrauen stärken.

IV. Schadensberechnung bei M&A-Streitigkeiten

Die genaue Berechnung des Schadens ist bei Mergers & Acquisitions (M&A)-Streitigkeiten von entscheidender Bedeutung, insbesondere wenn es um die Nichteinhaltung von Bilanzgarantien und anderen finanziellen Verpflichtungen geht. Diese Problematik erfordert ein tiefes Verständnis des Relativitätsprinzips und der damit verbundenen rechtlichen Überlegungen.

Bedeutung des Relativitätsprinzips

Das Relativitätsprinzip spielt eine wichtige Rolle in der Schadensberechnung bei M&A-Transaktionen. Dieses Prinzip besagt, dass die Vermögenssphären von Käufer und Zielunternehmen getrennt betrachtet werden müssen, um eine faire und objektive Bewertung des entstandenen Schadens zu gewährleisten. Diese Trennung verhindert, dass die finanziellen Ergebnisse des einen direkt auf das andere übertragen werden, ohne die spezifischen Umstände zu berücksichtigen.

Der Kern dieses Prinzips ist es, eine faire und objektive Bewertung des entstandenen Schadens zu gewährleisten. Dies wird erreicht, indem verhindert wird, dass die finanziellen Ergebnisse des einen direkt und ohne Berücksichtigung der spezifischen Umstände auf das andere übertragen werden. 

Beispiel

Stellen wir uns vor, ein großes Technologieunternehmen kauft ein kleineres Startup, das eine innovative Software entwickelt hat. Nach der Transaktion treten Probleme auf, und es kommt zu finanziellen Verlusten. Bei der Bewertung des Schadens durch die Übernahme könnte es wichtig sein, das Relativitätsprinzip anzuwenden.

Das erworbene Startup hatte vor der Übernahme eine vielversprechende, aber noch nicht vollständig marktreife Technologie entwickelt. Nach der Übernahme integriert das Käuferunternehmen diese Technologie in seine breitere Produktlinie, stößt jedoch auf technische Probleme, die zu Verlusten führen.

Um den Schaden korrekt zu berechnen, muss der finanzielle Zustand des Startups vor der Übernahme separat von der finanziellen Lage des kaufenden Unternehmens betrachtet werden. Es wäre unangebracht, einfach die Verluste des Startups auf das Käuferunternehmen zu übertragen, ohne zu berücksichtigen, dass die größeren Ressourcen und die Marktposition des Käufers die Art und Weise beeinflussen könnten, wie die Technologie eingesetzt und skaliert wird. Vielleicht hätte das Startup, wenn es unabhängig geblieben wäre, andere strategische Entscheidungen getroffen, die zu einem anderen finanziellen Ausgang geführt hätten.

In diesem Szenario verhindert das Relativitätsprinzip, dass die finanziellen Ergebnisse des Käufers direkt und unverändert auf das übernommene Unternehmen angewendet werden. Stattdessen wird eine differenzierte Betrachtung vorgenommen, die berücksichtigt, wie sich spezifische Umstände und Entscheidungen auf die jeweiligen finanziellen Ergebnisse ausgewirkt haben könnten.

Herausforderungen bei der Verletzung von Bilanzgarantien

Bilanzgarantien sind häufig Gegenstand von M&A-Verträgen und versichern dem Käufer, dass die finanziellen Dokumente des Zielunternehmens wahr und korrekt sind. Eine Verletzung dieser Garantien kann erhebliche Schäden verursachen, wenn beispielsweise festgestellt wird, dass die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse erheblich von den garantierten abweichen. Die Schadensberechnung in solchen Fällen kann komplex sein und erfordert oft die Einbeziehung von Finanzexperten und Rechtsberatern.

Methoden der Schadensberechnung

Die Berechnung des Schadens folgt in der Regel etablierten finanzwirtschaftlichen Methoden, die angepasst werden können, um den besonderen Umständen des Falles gerecht zu werden. Zu diesen Methoden zählen:

Konkrete Berechnung: Direkte Ermittlung der finanziellen Differenz zwischen dem garantierten und dem tatsächlichen Wert.

Schätzung: Wenn direkte Beweise nicht verfügbar sind, kann der Schaden geschätzt werden, basierend auf verfügbaren finanziellen Daten und Prognosen.

Praktische Tipps zur Minimierung von Schadensrisiken

Gründliche Due Diligence: Eine umfassende Prüfung vor dem Kauf kann helfen, potenzielle Probleme frühzeitig zu identifizieren.

Klare Garantieklauseln: Die präzise Formulierung von Garantien und die Definition ihrer Grenzen können helfen, spätere Streitigkeiten zu minimieren.

Regelmäßige Updates und Überprüfungen: Fortlaufende Überprüfungen der finanziellen Lage des Zielunternehmens nach dem Kauf können frühzeitig Diskrepanzen aufdecken.

V. Effektive Streitbeilegungsmethoden für M&A-Transaktionen

Die Auswahl der richtigen Streitbeilegungsmethode ist entscheidend für die effiziente und faire Auflösung von Konflikten nach M&A-Transaktionen. Dabei stehen den Parteien mehrere Optionen zur Verfügung, die jeweils spezifische Vorteile bieten:

1. Staatliche Gerichte: 

Der gerichtliche Weg bietet eine juristisch gründliche Prüfung der Streitigkeit und ist öffentlich. Die Hauptvorteile sind die Rechtssicherheit und die Möglichkeit, einen Präzedenzfall zu schaffen. Allerdings kann das Verfahren langwierig und kostspielig sein.

2. Schiedsgerichte

Sie bieten eine vertrauliche und oft schnellere Alternative zu staatlichen Gerichten. Schiedsgerichte sind besonders geeignet für komplexe finanzielle und technische Streitigkeiten, bei denen die Parteien Wert auf Diskretion legen.

3. Schiedsgutachter

Diese werden häufig für spezielle Aspekte einer Streitigkeit eingesetzt, wie etwa Bewertungsfragen. Schiedsgutachterklauseln im Vertrag ermöglichen es, dass unabhängige Experten bei bestimmten technischen Fragen entscheiden.

4. Mediation

Diese Methode ist ideal, wenn die Parteien ihre Geschäftsbeziehung fortsetzen möchten. Ein Mediator unterstützt die Parteien dabei, eine einvernehmliche Lösung zu finden, wodurch die Lösung oft schneller und weniger feindselig erreicht wird als bei anderen Methoden.

VI. Schlussfolgerungen

Mergers & Acquisitions (M&A) sind komplexe Prozesse, die erhebliche rechtliche und finanzielle Herausforderungen mit sich bringen können. Um diese erfolgreich zu meistern, ist eine proaktive und sorgfältige Planung unerlässlich. Von der sorgfältigen Ausarbeitung und Überprüfung von Verträgen bis hin zur Implementierung klar definierter Streitbeilegungsverfahren – jeder Schritt erfordert Präzision und fundiertes Fachwissen.

Eine gründliche Due Diligence ist der Grundstein jeder erfolgreichen M&A-Transaktion. Sie stellt sicher, dass alle relevanten Informationen transparent und zugänglich sind, wodurch das Risiko von Überraschungen und Streitigkeiten minimiert wird. Klar formulierte Vertragsklauseln, insbesondere in Bezug auf Garantien, Kaufpreisanpassungen und Freistellungsklauseln, schaffen eine solide Basis für die Vertragsparteien und reduzieren das Konfliktpotenzial erheblich.

Sollte es dennoch zu Streitigkeiten kommen, bieten verschiedene Streitbeilegungsmethoden, wie staatliche Gerichte, Schiedsgerichte, Schiedsgutachter und Mediation, flexible und effektive Lösungen. Die Wahl der geeigneten Methode hängt von den spezifischen Umständen der Streitigkeit und den Zielen der Parteien ab.

Aus Ihrer individuellen Praxis können sich komplexe Fragestellungen ergeben. Für weitergehende Lösungen biete ich Ihnen meine Unterstützung an. Nutzen Sie ergänzend meine online buchbare Rechtsberatung, wenn Sie konkrete Problemstellungen lösen wollen.

Rechtsanwalt Gesellschaftsrecht Jörg Streichert
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