Informationen zu Stimmverboten nach § 47 Abs. 4 GmbHG

In der Praxis gibt es weiterhin erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Anwendung von Stimmrechtsausschlüssen nach § 47 Abs. 4 GmbHG.
Rechtsanwalt Jörg Streichert
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Das Stimmrecht ist eines der wichtigsten Rechte für Gesellschafter einer GmbH, da es ihnen ermöglicht, abhängig von ihrem Anteil an der Gesellschaft, Entscheidungen zu beeinflussen.

Es gibt jedoch Fälle, in denen dieses Stimmrecht eingeschränkt sein kann. Diese Einschränkungen können durch vertragliche Vereinbarungen, Bestimmungen der Mitgliedschaft (Treuepflicht) oder gesetzliche Vorschriften erfolgen.

Seit der Einführung des entsprechenden Gesetzes hat sich die Interpretation der Regeln zu Stimmverboten im GmbH-Gesetz sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die betroffenen Personen erweitert.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen einen verständlichen Überblick über die Entwicklungen in der Rechtsprechung und Fachliteratur zu diesem Thema bieten.

I. Stimmverbote in der Satzung der GmbH

Die Satzung einer GmbH kann das Stimmrecht der Gesellschafter auf verschiedene Weisen einschränken. Beispielsweise kann festgelegt werden, dass nur bestimmte Anteile am Stammkapital zur Stimmabgabe berechtigen, oder es können Regelungen getroffen werden, die das Stimmrecht bestimmter Gesellschafter ganz ausschließen oder beschränken.

Neben den satzungsbedingten Regelungen können auch vertragliche Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern das Stimmrecht beeinflussen. Solche Vereinbarungen können in Beteiligungs- und Gesellschafterverträgen getroffen werden und sogar das Stimmrecht stärken oder beschränken.

II. Treuepflicht

Zusätzlich zu den vertraglichen Vereinbarungen in der Satzung der Gesellschaft kann ein Stimmverbot auch aus der allgemeinen Treuepflicht eines Gesellschafters entstehen. Diese Treuepflicht verlangt, dass ein Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter berücksichtigen muss und sich nicht schädigend verhalten darf. Stimmen, die treuwidrig abgegeben werden, sind in der Regel ungültig und dürfen bei Abstimmungen nicht gezählt werden. Sollten sie dennoch gezählt werden, kann der entsprechende Beschluss angefochten werden.

III. Stimmrechtsverbote nach § 47 Abs. 4 GmbHG

Das Gesetz sieht in § 47 Abs. 4 GmbHG vor, dass ein Gesellschafter einer GmbH in bestimmten Situationen nicht abstimmen darf, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Hierbei geht es darum, dass die persönlichen Interessen eines Gesellschafters nicht die Entscheidungen zum Nachteil der Gesellschaft beeinflussen sollten. Die Stimmrechtsverbote dienen dazu, eine faire und unvoreingenommene Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Die nachfolgenden Regeln sollen sicherstellen, dass Gesellschafterentscheidungen im besten Interesse der Gesellschaft getroffen werden und nicht von persönlichen Vorteilen der einzelnen Gesellschafter beeinflusst sind.

  1. Entlastung – § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 GmbHG

Ein Gesellschafter darf nicht über seine eigene Entlastung abstimmen, wenn er als Geschäftsführer oder in einer ähnlichen Position tätig war. ch) inhaltlich billigt. Sinn und Zweck der Norm ist das Verhindern eines „Richtens in eigener Sache“. Das Gesetz verhindert, dass Gesellschafter in eigener Sache urteilen. Wenn mehrere Mitglieder eines Organs gleichzeitig entlastet werden sollen, dürfen alle betroffenen Mitglieder nicht mitabstimmen.

  1. Befreiung von einer Verbindlichkeit – § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 GmbHG

Ein Gesellschafter darf nicht abstimmen, wenn es um Entscheidungen geht, die ihn von einer finanziellen oder rechtlichen Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft befreien könnten. Das umfasst Maßnahmen wie Vertragsaufhebungen, Vergleiche oder Zahlungsaufschübe. Der Regelungscharakter ist hier in erster Linie den Fall des „In-sich-Geschäftes“ (§ 181 BGB).

  1. Vornahme eines Rechtsgeschäfts – § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 GmbHG

Dieses Verbot betrifft die Abwicklung von Geschäften, in denen der Gesellschafter selbst ein persönliches Interesse hat. Ein Gesellschafter darf nicht an Entscheidungen teilnehmen, die direkt seine eigenen Verträge oder rechtlichen Handlungen betreffen. Der Regelungscharakter ist hier, einem Interessenkonflikt zwischen Gesellschaftsinteressen und Individualinteressen vorzubeugen.

  1. Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits – § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 GmbHG

Diese Alternative legt fest, dass ein Gesellschafter nicht abstimmen darf, wenn er in einen Rechtsstreit mit der Gesellschaft verwickelt ist. Dies umfasst alle Stadien des Rechtsstreits – von der Einleitung über die Durchführung bis hin zur Beendigung. Dazu gehören auch vorbereitende Maßnahmen wie das Versenden einer Mahnung, das Beauftragen eines Gutachters oder die Erteilung eines Mandats an einen Rechtsanwalt.

Der Begriff „Rechtsstreit“ umfasst alle möglichen Formen von rechtlichen Auseinandersetzungen, einschließlich Mahnverfahren, Schiedsverfahren, Mediationsverfahren und Zwangsvollstreckungen.

IV. Umgehung, Erweiterungen und Abdingbarkeit

1. Umgehung

Ein Gesellschafter könnte versuchen, ein Stimmrechtsverbot zu umgehen, indem er seine Anteile an der GmbH an eine dritte Person verkauft, die keinem Stimmrechtsverbot unterliegt. Die Rechtsprechung sieht jedoch vor, dass auch der Käufer der Anteile einem Stimmrechtsverbot unterliegen kann, wenn der Verkauf nur dazu dient, das Verbot zu umgehen. Wenn ein Gesellschafter gegen eine solche Entscheidung vorgeht, muss er im Gerichtsprozess beweisen, dass eine Umgehung stattgefunden hat. Ein deutlicher Hinweis auf eine Umgehung könnte sein, wenn die Übertragung kurz vor der Abstimmung erfolgt und gleichzeitig ein Treuhandvertrag abgeschlossen wird. Eine bloße persönliche Nähe zwischen dem Verkäufer und dem Käufer reicht als Beweis für eine Umgehung jedoch nicht aus.

2. Erweiterungen

In der Rechtsprechung und Fachliteratur besteht Einigkeit darüber, dass der Gesellschaftsvertrag durch spezifische Regelungen, die von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen, ergänzt oder präzisiert werden kann. Dies ist möglich, weil solche Regelungen den Schutz der Gesellschaft und der Mitgesellschafter vor den Eigeninteressen einzelner Gesellschafter weiter verstärken. Beispielsweise könnte in der Satzung festgelegt werden, dass ein Gesellschafter nicht abstimmen darf, wenn es um seine eigene Ernennung oder Abberufung als Geschäftsführer oder ein ähnliches Amt geht, oder wenn es um die eines Familienmitglieds geht.

Gesellschafter sollten daher überlegen, in welchen weiteren Situationen Interessenkonflikte entstehen könnten und diese durch zusätzliche Klauseln im Gesellschaftsvertrag vorbeugen. Allerdings sollte man vorsichtig sein, den allgemeinen Begriff des „Interessenkonflikts“ als Voraussetzung zu nutzen, da dieser zu ungenau sein kann und im schlimmsten Fall zu zahlreichen Anfechtungen von Beschlüssen führen könnte.

3. Abdingbarkeit

Obwohl der § 45 Abs. 2 GmbHG die Vorschriften des § 47 Abs. 4 GmbHG als abänderbar kennzeichnet, wird in der heutigen Rechtspraxis sehr genau unterschieden, insbesondere bei den einzelnen Bestimmungen des Absatz 4. Die Entlastung von Organmitgliedern (nach § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 GmbHG) ist generell nicht abänderbar, weil sonst jeder Entlastungsbeschluss auf seine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB geprüft werden müsste. Ebenso darf man von den Regelungen zur Befreiung von Verbindlichkeiten und zur Einleitung oder Erledigung von Rechtsstreiten nicht durch Satzungsänderungen abweichen.

Es ist wichtig, darauf zu achten, dass eine Klausel, die das Stimmverbot aufhebt, nicht generell alle Bestimmungen des § 47 Abs. 4 GmbHG ausschließt. Eine solche Klausel würde in der Praxis oft zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führen, und somit würden die gesetzlichen Regelungen greifen. In der Vertragsgestaltung sollte stattdessen eine spezifische Klausel verwendet werden, die nur die abänderbaren Bestimmungen betrifft, wie die Vornahme und Abwicklung von Rechtsgeschäften oder die Befreiung von einer Verbindlichkeit.

Ein Beispiel für eine solche Klausel könnte lauten: „Das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG wird aufgehoben, soweit es die Vornahme und Abwicklung eines Rechtsgeschäfts mit einem Gesellschafter betrifft.“

Sollte die bestehende Satzung eine andere Regelung enthalten, muss eine Satzungsänderung durch alle Gesellschafter beschlossen werden, um die Rechtsposition des einzelnen Gesellschafters nicht zu verschlechtern.

V. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen ein Stimmverbot

Wenn ein Gesellschafter gegen ein Stimmrechtsverbot aus § 47 Abs. 4 GmbHG verstößt, sind seine abgegebenen Stimmen ungültig. Das betrifft sowohl die Stimmen, die direkt zum Beschlussinhalt abgegeben werden, als auch diejenigen, die den Beschluss vorbereiten oder beeinflussen.

Der betroffene Gesellschafter darf jedoch an der Gesellschafterversammlung teilnehmen und kann sich an der Diskussion vor der Abstimmung beteiligen. Seine Teilnahme an der Abstimmung führt nicht automatisch zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, solange seine Stimmen nicht im Endergebnis mitgezählt werden. Wenn sie doch mitgezählt werden und das Ergebnis beeinflussen, kann der Beschluss angefochten werden.

Die Anfechtung des Beschlusses erfolgt durch eine Anfechtungsklage, die innerhalb einer bestimmten Frist eingereicht werden muss. Zusätzlich kann eine positive Beschlussfeststellungsklage eingereicht werden, um das korrekte Beschlussergebnis gerichtlich feststellen zu lassen und weitere Versammlungen zu vermeiden. Das Gericht kann allerdings nur über Themen entscheiden, die tatsächlich abgestimmt wurden.

Trotz einer Anfechtung bleibt der Beschluss vorläufig verbindlich, darf aber üblicherweise nicht ausgeführt werden. Eintragungspflichtige Beschlüsse können im Handelsregister eingetragen werden, allerdings kann das Registergericht das Eintragungsverfahren aussetzen, wenn eine Anfechtungsklage Erfolg haben könnte. Wird keine Anfechtungsklage eingereicht, werden die Beschlüsse normalerweise eingetragen, da das Handelsregister die Anfechtbarkeit eines Beschlusses nicht eigenständig überprüfen darf.

Falls ein Gesellschafter sein Stimmverbot verheimlicht oder vorsätzlich missachtet, können ihm und dem Versammlungsleiter, der verbotene Stimmen zählt, Schadensersatzansprüche gegenüber der GmbH und den anderen Gesellschaftern entstehen.

VI. Ausblick

In der Praxis gibt es weiterhin erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Anwendung von Stimmrechtsausschlüssen nach § 47 Abs. 4 GmbHG. Diese Unsicherheiten resultieren aus der stetigen Ausweitung der relevanten Fälle durch neuere Urteile des Bundesgerichtshofs und Diskussionen in der Fachliteratur.

Obwohl das Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG grundsätzlich nur eingeschränkt abdingbar ist, sollte man die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Dabei ist es wichtig, genau darauf zu achten, dass nur die von Rechtsprechung und Lehre anerkannten Fälle modifiziert werden. Bestehende Satzungen sollten überprüft und gegebenenfalls mit Zustimmung aller Gesellschafter angepasst werden. Geschäftsführer und Versammlungsleiter sollten bei Beschlüssen genau prüfen, ob abgegebene Stimmen gültig waren. Gesellschafter sollten ebenfalls sorgfältig überlegen, ob ihre Stimmabgabe in bestimmten Situationen möglicherweise ausgeschlossen sein könnte.

Aus Ihrer individuellen Praxis können sich komplexe Fragestellungen ergeben. Für weitergehende Lösungen biete ich Ihnen meine Unterstützung an. Nutzen Sie ergänzend meine online buchbare Rechtsberatung, wenn Sie konkrete Problemstellungen lösen wollen.

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